Neue Beitragsberechnung für die Pflegeversicherung

Ein bürokratischer Hurrikan für Arbeitgeber?

ein Beitrag von Markus Matt, freier Journalist

Im vergangenen Jahr entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sich die Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung künftig an der Anzahl der Kinder orientieren muss. Mit dem neuen „Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz“ plant die Bundesregierung nun ziemlich kurzfristig eine Neuregelung, die nicht nur die Beiträge zur Pflegeversicherung insgesamt erhöht, sondern auch die Kinderanzahl der Versicherten bei der Beitragsberechnung einbezieht. Das neue Gesetz soll bereits ab 1. Juli gelten und birgt dem aktuellen Referentenentwurf zufolge für die betriebliche Praxis erheblichen Zündstoff.

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Des Pudels Kern

Das Gesetz hat drei wichtige Kernpunkte, die allesamt ab Juli 2023 gelten. Zunächst wird der Basisbeitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung von bisher 3,05 % auf 3,4 % erhöht. Für Arbeitgeber bedeutet das eine Steigerung ihres Beitragsanteils auf 1,7 %. Auch der Arbeitnehmeranteil steigt auf 1,7 %, ist aber künftig nur noch für Beschäftigte mit exakt einem Kind gültig.

Zweitens wird der Zuschlag für gesetzlich Versicherte ab 23 Jahren von bisher 0,35 % auf 0,6 % erhöht. Dieser Zuschlag ist wie bisher ausschließlich von den betroffenen Arbeitnehmern zu tragen und führt für diese ab Juli zu einem Arbeitnehmeranteil von 2,3 %.

Drittens wird es für Beschäftigte mit mehr als einem Kind gestaffelte Abschläge auf die Arbeitnehmeranteile zur Pflegeversicherung geben, geplant sind vom zweiten bis zum fünften Kind jeweils 0,25 %. Der arbeitnehmerseitige Beitrag fällt für diese Gruppe also je nach Kinderanzahl schrittweise um bis zu 1 % auf nur noch 0,7 % bei fünf oder mehr Kindern. Die Abschläge gelten allerdings nur für Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Das sieht auf den ersten Blick alles nach einer guten Sache aus, doch der Teufel steckt in der Nachweisführung.

Knackpunkte: Elterneigenschaft und Kindernachweis

Bisher wurde die Elterneigenschaft mit Blick auf die Beiträge zur Pflegeversicherung über ein entsprechendes Kennzeichen in den Lohnprogrammen verwaltet, der Nachweis erfolgte oft über Kinderfreibeträge auf der Lohnsteuerkarte. Dies wird ab Juli für alle Arbeitgeber in Deutschland dramatisch aufwendiger werden, denn ihnen obliegt auf Sicht die Nachweisverwaltung der Elterneigenschaft und sämtlicher Kinder. Und die hat es in sich, denn diese Nachweise können auf vielfältige Weise erfolgen, und zwar in vielen Landessprachen. Die Dokumente müssen bei den Arbeitgebern im Original vorliegen und gegebenenfalls beglaubigt übersetzt werden. Alle Papiere müssen zudem von den Personalabteilungen aufbewahrt werden – und dies in Zeiten großer digitaler Herausforderungen.

Hinweis: Vor dem Start des Verfahrens dürfte es hinsichtlich der geeigneten Nachweise ein überarbeitetes Schreiben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung geben, das bisherige Dokument zu diesem Thema stammt aus dem Jahr 2017 und umfasst stolze 18 Seiten.

Viel Arbeit für alle Beteiligten

In der Praxis bedeutet die Neuregelung, dass jeder Arbeitgeber bis zum 1. Juli die Nachweise aller gesetzlich versicherten Beschäftigten über sämtliche Kinder vorliegen haben muss – und die jeweilige Kinderanzahl in sein Lohnverfahren eingegeben hat. Andernfalls können die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung nicht korrekt berechnet werden. Pikanterweise erfahren die Arbeitgeber zudem nun Dinge von ihren Beschäftigten, die in deren Privatsphäre gehören. Wer möchte schon gerne seinem Chef mitteilen, dass er von verschiedenen Partnern Kinder hat oder neben den ehelichen Nachkömmlingen zeitgleich noch uneheliche.

Die Beschäftigten selbst sind gehalten, die geforderten Nachweise zu besorgen, was in vielen Fällen keine triviale Aufgabe sein dürfte.

Die Personalabteilungen müssen außerdem die Personalfragebögen anpassen, alle Beschäftigten mit gesetzlicher Pflegeversicherung informieren und natürlich die relevanten Daten mit etwaigen Dienstleistern austauschen.

Die Hersteller von Lohnsoftware müssen bis 1. Juli die Modalitäten der neuen Beitragsberechnungen in ihren Verfahren umgesetzt haben, von neuen Feldern bis zu veränderten Beitragsformeln muss alles vorhanden sein.

Bei Mehrfachbeschäftigten, Arbeitgeberwechseln und weiteren Konstellationen sind die Nachweise zudem mehrfach zu erbringen.

Der Gesetzgeber hat inzwischen die Einrichtung einer zentralen Stelle in Aussicht gestellt, welche die geforderten Nachweisführungen für Elterneigenschaft und Kinder zentral zusammenführt und somit Arbeitgeber und Beschäftigte entlastet. Wann und in welcher Form diese neue Behörde das Licht der Welt erblickt, bleibt abzuwarten.

Fazit

Es sei die Frage erlaubt, wie dieser große bürokratische Aufwand für Arbeitgeber, Beschäftigte und Softwarehäuser binnen weniger Wochen bewältigt werden soll. Eines bestätigt sich indes erneut: in den Personalabteilungen deutscher Unternehmen kann keine Langeweile aufkommen.

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